Eine junge Frau sitzt auf grünem Rasen. Auf ihren verschränkten Beinen hat sie ein offenes Buch und ein Notizheft abgelegt. In das Buch schreibt sie mit einem Kugelschreiber. Die Frau hat braune Haare und trägt ein sommerliches Shirt sowie eine kurze Hose. Wir sehen ihr schräg über die Schulter.

Farmaberg von Helena Väisänen

Einsame finnische Landschaften, ein toter Mediziner im Eisbecken, Flüchtlingsdramatik und ein düsterer Pharmakonzern: Eigentlich alle Zutaten, die ein vielversprechender Kriminalroman braucht. Doch irgendwie geht es nicht voran in Lappenranta und den mysteriösen Vorfällen um Farmaberg.

Es ist die Geburtsstunde einer neuen Kriminalkommissarin aus Skandinavien: Saara Joho heißt die Protagonistin, die Autorin Helena Väisänen in ihrem Erstlingswerk präsentiert.

Ihre Aufgabe ist es, dem Tod des Mediziners Jarkko Karhu auf den Grund zu gehen, der ein Forschungsprojekt im Pharmakonzern Farmaberg leitet. Ein neues Krebsmittel soll erforscht und getestet werden. Solche Tests sind teuer und nicht risikofrei — ein Zufall, dass Farmaberg sich an der finanziellen Hilfe des örtlichen Flüchtlingszentrums so rege beteiligt? Als ans Licht kommt, dass Karhu nicht der erste Tote im Umfeld der Farmaberg ist, sieht auch Saara langsam die Zusammenhänge. Und plötzlich steckt die Ermittlerin mit der sinnlichen Überempfindlichkeit auch persönlich tief in den Machenschaften der Pharmaindustrie: Ein Einbruch in ihrer Wohnung, verschwundene journalistische Recherchen ihres verstorbenen Lebenspartners, eine denkwürdige neue Flamme, die sie bei einem Trinkgelage aufgabelt, und auch ihr neuer Nachbar Ville scheint kein unbeschriebenes Blatt zu sein.

So undurchdringlich das Chaos um Saara und ihr Ermittlungsteam erscheinen mag, am Ende ist alles plötzlich ganz einfach. Zu einfach.

Die finnische Ermittlerin mit schweizerischen Wurzeln ist gebeutelt von Schicksalsschlägen, harten Beziehungen, Alkoholmissbraucn. Tatsachen, die Romanfiguren so menschlich machen, bei Saara jedoch kaum Sympathie oder Mitgefühl entstehen lassen. Das Gefühl für Saara, aber auch für die anderen Figuren bleibt größtenteils aus. Ein sanftes Kratzen an der Oberfläche, doch Autorin Väisänen kommt ihnen nicht ganz auf den Grund. Da hilft leider auch kein ausgeprägter Geruchssinn, der sogar Unsicherheit erschnuppern kann.

Gibt Momente, in denen man als Leser*in den Eindruck hat, Saaras Denken und Handeln nachvollziehen zu können, so verschwindet diese Gewissheit spätestens im finalen Showdown, der den gesunden Menschenverstand der Ermittlerin ernsthaft in Frage stellt.

Väisänen verschenkt das Potenzial eines guten Plots an einigen Stellen, weil die Geschichte den Leser*innen davon rast. Keine Zeit, um Luft zu holen, keine Zeit für Atmosphäre, keine Zeit für Ruhe in den Szenen. So angenehm Schnelligkeit in Kriminalromanen auch sein mag, das Tempo zu drosseln, Absätze für Dialoge und Reflexionen einzubauen, das kann manchmal Wunder wirken. Das Handwerkszeug besitzt Väisänen dafür allemal.

Ihr Gespür für menschliche Abgründe, ausgeklügelte Verbrechen, Gier, Rücksichtslosigkeit und Machtstreben ist eine explosive Mischung, die für zukünftige Werke durchaus jede Menge Schreibstoff liefert.

Fazit: 1 von 5 Sternen 2 von 5 Sternen 3 von 5 Sternen 1 2

Trotz seiner Schwächen ist Farmaberg als Erstlingswerk kurzweilige Unterhaltung mit klarer Sprache, die die skandinavische Kultur vermittelt und einen Einblick in die Literatur Finnlands gewährt. Das Finale deutet ein baldiges Wiedersehen mit Saara Joho an — Luft nach oben bleibt da jedenfalls genug.

Bleibt zu hoffen, dass Saara Joho nicht das Schicksal der vielen gesichtslosen Ermittlerinnen teilen wird, die schnell wieder in der Schublade verschwinden.