Sandro Böhm – der Requisitenbauer vom Sechseckbau

Wenn ich an Sandro Böhm denke, sehe ich ihn in der Werkstatt auf dem mit Farbklecksen übersäten Boden sitzen und an irgendetwas aus Holzplatten basteln, neben sich eine Packung Pizzabrötchen. Das Radio auf der Werkbank ist stumm, denn der brummende Kühlschrank an der Wand und der tosende Ventilator würden es ohnehin übertönen. Doch ohne den frischen Luftzug und ein kaltes Getränk wäre es in der Werkstatt unerträglich warm, denn die Fenster in der Decke lassen sich nicht öffnen.

Das Theater befindet sich im sechseckigen Gebäude direkt neben der Mensa I auf dem Campus der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Im verglasten Erdgeschoss iist eine Information und ein Café.
Das Theater befindet sich im sechseckigen Gebäude direkt neben der Mensa I am Westring. © 2018 Anna Heimann

Ich habe Sandro in seiner Funktion als Requisitenbauer kennengelernt, während ich am Sechseckbau, dem studentischen Theater im ICK-Punkt auf dem Campus der CAU zu Kiel, bei einem Theaterstück mitwirkte. Er war immer einer der Ersten, die morgens da waren, und einer der Letzten, die nachts das Theater verließen. Anzutreffen war Sandro entweder im Obergeschoss in der Werkstatt, wo er an Requisiten für das nächste Stück arbeitete, oder bei der Raucherpause vor der Tür des ICK-Punktes. Über die Zeit erkannte ich, dass Sandro einiges mehr war, als nur derjenige, der an Requisiten bastelt.

Sandro und ich haben uns in einem Café zum Gespräch verabredet. Er ist pünktlich, wie immer, und erwartet mich schon mit einem kalten Getränk vor sich.

Für die Stelle im Sechseckbau habe er sich – wie bei jedem seiner bisherigen Jobs – nicht beworben, erzählt er. Seine damalige Freundin spielte bei einem Theaterstück mit „und dann brauchten sie noch jemanden, der Hüte näht, und dann hat sie mich gefragt, ob ich das machen kann, und dann habe ich das gemacht“, sagt er, während er seine Limonade trinkt, ehe er fortfährt. „Und dann brauchten sie noch jemanden, der das Bühnenbild baut, und das habe ich dann auch gemacht... und dann brauchten sie noch jemanden, der sich um die Technik kümmert, und das habe ich dann auch gemacht“. Sieben Jahre lang verbrachte Sandro dort seine Freizeit, bis ihm eine Stelle angeboten wurde.

Jetzt arbeitet er beim Studentenwerk als technischer Betreuer für den Sechseckbau und kümmert sich darum, dass „der Laden am Laufen bleibt“. Er hilft bei Fragen zur Technik, wenn er es nicht gerade selbst macht, fungiert als Hausmeister und arbeitet bei Events wie Public Viewings schon mal die Nacht durch. Nebenbei kümmert er sich auch noch bei zwei freien Theatergruppen um die Technik, arbeitet im Versand des Bekleidungsgeschäfts elkline und gehört zum Team des MUDDI Markts, einem Verein, der nachhaltige Entwicklung fördert und auf der Kieler Woche ein Alternativprogramm bietet. Es sei zeitweise recht stressig, gerade in der heißen Phase vor einer Aufführung, aber irgendwie funktioniere es, sagt Sandro. Ein großer Teil seiner Arbeit am Sechseckbau sei sogar unbezahlt, erzählt er mir. Wenn er die Technik bei Stücken mache oder Requisiten baue, wäre das Freizeit. Eine große Menge an Freizeit, die er investiert. Während der Arbeiten für das Theaterstück „Ray Dash – und der Todesstrahl von Nenok“ kam Sandro fast nur noch zum Schlafen nach Hause. „Auch wenn ich mich da zuhause fühle - ab und zu muss ich dann doch noch mal in meine eigene Wohnung.“ Außerdem sei das Übernachten im Theater nicht erlaubt.

Zuhause hat Sandro eine eigene Werkstatt. Dort bastelt er an kaputten Geräten, Möbeln und ebenfalls Requisiten für das Theater. Zum Bauen von Bühnenbildern habe sie sich allerdings als zu klein herausgestellt. Für Freunde baut Sandro hier manchmal auch Betten und Regale, und aus der puren Lust am Machen entstehen beispielsweise Final Fantasy-Kostüme. „Leider sammelt sich das bei mir an und nimmt Platz weg, aber da habe ich Spaß dran.“ Es seien Dauerprojekte, sagt Sandro, denn eigentlich habe er selten den Punkt erreicht, an dem er sagen würde, dass etwas fertig sei. Zum Großteil, gibt er lachend zu, hänge er in seiner Wohnung nur in der Werkstatt rum, weil es sein Raucherzimmer sei.

Aber so chaotisch, wie das jetzt klinge, sei es bei ihm nicht, versichert er mir. Sandro mag die Ordnung. Im Sechseckbau verbringe er viel Zeit damit, die Werkstatt aufzuräumen – und häufig nicht einmal seine eigenen Sachen, denn jede Theatergruppe darf dort werkeln.

Eine Ausbildung in dem Bereich hat Sandro nicht. „Ich bastle einfach gerne Sachen, bin Autodidakt, bringe mir das selber bei und lerne aus meinen Fehlern.“ Meistens gäbe es einen Auftrag, was getan werden soll. Nur wenn er gar keinen Plan habe, sähe er sich auch mal an, wie andere das gemacht hätten, gesteht er, aber für gewöhnlich habe er selber Ideen. „Also, ich sage mal, ich habe so zu Dreiviertel ´nen Plan, und den Rest improvisiere ich. Das ist eigentlich bei allen Sachen so. Ich habe keine Lust, tausend Pläne zu zeichnen und da Stunden rein zu investieren; ich bin einfach so ein Macher, ich will loslegen.“ Gerade weil er so viel spontan ausprobiere, könne er vorher gar nicht so genau wissen, wie es richtig ginge. „Früher habe ich sehr viel an Fahrrädern rumgeschraubt. Hatten dann auch Aschenbecher auf dem Lenkrad und so. Habe festgestellt, dass das nicht so geil ist, wenn der Wind einem dann ständig die Asche ins Gesicht weht, aber lustig war´s“, sagt Sandro lachend.

Sandro erzählt mir, er habe schon immer Lust auf das Requisitenbauen gehabt: „Ich habe mich auch beim Kieler Theater beworben, aber die wollten mich nicht. Wahrscheinlich, weil ich keine Ausbildung habe. Ich weiß nicht, ob es mein Traumberuf ist, keine Ahnung, wahrscheinlich ja. Sachen bauen und so mache ich halt super gerne.“

Selbst möchte Sandro lieber nicht auf die Bühne. „Einmal habe ich einen Barkeeper gespielt, aber auch da habe ich parallel die Technik gemacht, indem ich mir hinter dem Tresen das Lichtpult aufgebaut habe – und so habe ich während des Gläserputzens ein wenig Licht gewechselt.“

Ihm gefalle das Familiäre im Sechseckbau, erzählt er. „Es gibt einige Theatergruppen, mit denen ich von Anfang an zusammenarbeite, wo das dann auch mehr oder weniger klar ist, wenn die was machen, dass ich dabei bin. Die anderen fragen mich dann eher wegen Technik, weniger wegen Requisite, was ich schade finde, ich würde gerne mehr basteln.“

Neben dem Werken liegt Sandro das Thema Nachhaltigkeit sehr am Herzen, weshalb er auch unbezahlt beim MUDDI Markt arbeitet. Sein nächstes Projekt sei die Planung eines Klima-Cafés in der Nähe des Südfriedhofs. Es soll eine stadtteilbezogene Anlaufstelle für Umweltschutz werden und, wenn die beantragte Förderung gewährt wird, Sandros hauptberuflicher Arbeitsplatz. „Ich finde das schön, die Abwechslung, mal dies zu machen, mal das zu machen, immer etwas Neues zu lernen, sich weiterzuentwickeln.“ Sandro bezeichnet sich selbst als jemanden, der einfach gucke, was die Zukunft bringe: Egal, was das sein möge, das Basteln und Bauen würde er nicht aufgeben.