Rechts im Bild befindet sich ein junger Mann mit grauem T-Shirt, der eine Kamera um die Schulter trägt. Er hat ein Mikrofon in der Hand und hält es einer jungen Frau mit langen braunen Haaren hin, die ein schwarzes Top trägt. Es handelt sich um eine Interview-Situation. Im Hintergrund befinden sich Bäume und dahinter Gebäudefassaden. Die Personen sitzen auf einer Treppenstufe aus Stein.

Ein Zuhause für Seemänner aus aller Welt

Die Seemannsmission Kiel e.V. beherbergt Seemänner vor ihrer Abfahrt und nach ihrer Ankunft auf einem Containerschiff oder Kreuzfahrtdampfer. FH Studentin Joy Lesch arbeitet seit rund einem Jahr für die Organisation und hat Carina Fricke aus der Journalisten-Werkstatt einen Einblick in ihren Arbeitsalltag gewährt.

Joy in der Teeküche der Seemannsmission

Joy, wie bist du dazu gekommen, in der Kieler Seemannsmission zu arbeiten?

Ich habe im vierten Semester eine Reportage gedreht, in der ich die Leiterin der Seemannsmission Stefanie Zernikow zwei Tage mit der Kamera begleitet habe. Was sie mir gezeigt und erzählt hat, gefiel mir so gut, dass ich mir gedacht habe: Ich würde hier gerne ehrenamtlich helfen. Seit ich nach Kiel gekommen bin, hatte ich immer schon ein Ehrenamt anfangen wollen und bin froh, bei der Seemannsmission hängen geblieben zu sein.

Seit wann bist du dabei?

Im Juli 2018 habe ich angefangen, die Seemannsmission ehrenamtlich zu unterstützen, seit September bin ich festangestellte Mitarbeiterin. Als Ehrenamtlerin hab ich erst in der Lounge gearbeitet, aber als mir dann im Seemannsheim eine feste Anstellung angeboten wurde, bin ich hierhin gewechselt.

Was ist denn die Lounge?

Es gibt zwei verschiedene Gebäude. Einmal die Lounge; die ist am Ostsee Kai. Das ist die Anfahrtsstelle für die ganzen Kreuzfahrtschiffe, die in Kiel halten. Die Mitarbeiter der Kreuzfahrtschiffe haben die Möglichkeit, in der Lounge Lebensmittel aus ihren Ländern zu erwerben. Getrocknete Mangos, asiatische Suppen, Schokolade, auch Zahnbürsten, Seife – was man halt so braucht. Das ist auf deren Bedürfnisse abgestimmt. Es gibt dort auch kostenloses Wifi, damit sie die Möglichkeit haben, mit ihren Familien zu skypen, und sie können von dort auch Geld an ihre Familien schicken.

Es gibt also die Lounge und dann hier das Seemannsheim – was passiert denn hier?

Für die Seemänner, die von den Schiffen runterkommen, sind hier Zimmer verfügbar, die sie beziehen können bevor ihr Flieger in die Heimat geht. Oder aber Seemänner warten hier, bevor sie für die nächsten sechs Monate auf einem Schiff arbeiten werden.

Wir haben hier fünf Zimmer mit insgesamt acht Betten. Und die sind meistens auch besetzt. Dann gibt es noch ein Lotsenzimmer, da dürfen nur Schiffslotsen rein. Wenn sie darauf warten, dass sie ein Boot durch die Schleuse steuern, dann können sie hier unterkommen.

Bett im Seemannsheim

Ist das in Kiel das einzige Seemannsheim?

Es gibt noch ein anderes Seemannsheim in Holtenau, das ist für die Seemänner, die mehr als eine Woche in Kiel sind.

Was sind deine Aufgaben?

Da ist die Büroarbeit. Es muss vierundzwanzig Stunden jemand erreichbar sein. Für den Fall, dass die Schiffsagenturen anrufen, weil Seemänner spontan von Bord hierherkommen zum Beispiel.

Die Schiffsagenturen?

Die Agenturen regeln die Verträge der Seemänner und kümmern sich darum, wann der Seemann wo aufs Schiff kommt und, dass er bei Aufenthalt an Land einen Schlafplatz hat, zum Beispiel bei uns. Sie sind auch dafür zuständig, dass der Seemann in die jeweilige Stadt geflogen wird von der aus er seine Arbeit an Bord beginnt und, dass er nach Beendigung des Vertrags wieder nach Hause kommt.

Was fällt sonst noch in deinen Tätigkeitsbereich?

Buchungen müssen vermerkt und abgerechnet werden. Wenn die Seemänner die Zimmer verlassen, machen wir sie sauber und bereiten sie für den nächsten Gast vor. Auch Küche, Flur, Aufenthaltsraum und Waschraum müssen sauber gehalten werden. Dann kommt die Betreuung der Seemänner hinzu. Also Kaffee und Tee und das Mittagessen und Abendessen. Das bereiten wir auch auf Wunsch zu, fragen sie was sie gerne essen möchten.

Falls ein Vegetarier dabei ist?

(Joy lacht) Das ist, glaube ich, noch nie vorgekommen.

Was kochst du denn am häufigsten?

Da hier viele Philippiners herkommen und die Reis lieben, koche ich sehr viel Reis. Mit Fleisch und Soße meistens, das essen sie alle gern.

Die Seemannsmission hat mit Bordbesuchen durch Geistliche begonnen. Ist davon heute noch etwas übrig geblieben?

Wir machen immer noch Bordbesuche, das ist zum Beispiel eine ehrenamtliche Aufgabe. Wir rufen dann vorher die Agenturen an und fragen, aus was für Ländern Seemänner an Bord sind. Dann können wir die Tageszeitungen aus ihren Ländern ausdrucken und aufs Schiff mitbringen. Telefonkarten brauchen sie auch immer, um ihre Familien zu erreichen, da sie an Bord ja kein Internet haben. Und Schokolade, die nehmen wir auch immer mit an Bord.

Und wenn ein Seemann auf dem Schiff stirbt, dann geht Stefanie, die Diakonin ist, aufs Schiff und gibt eine Predigt, damit es der Schiffsbesatzung leichter fällt sich zu verabschieden.

Was hat sich seit den ersten Tagen der Seemannsmission noch so verändert?

Die Seemannsmission hier war anfangs ein Seefrauenheim. Die Frauen, die darauf gewartet haben, dass ihre Männer von den Schiffen kommen, hatten hier die Möglichkeit dazu. Und konnten von hier dann auch aufs Schiff gehen.

Sind Seemannsmissionen heutzutage überall üblich?

In Russland zum Beispiel gibt es keine Seemannsmissionen. Da müssen sich die Seemänner dann in eine Bar setzten, um auf ihr Schiff oder ihren Flug zu warten und warm zu bleiben.

Dann ist das hier für sie bestimmt ziemlicher Komfort…

Die meisten Seemänner kommen gar nicht damit klar, dass man für sie kocht. Die kommen in die Küche und sagen: Du brauchst nicht meinen Kaffee kochen. Ich kann das selber machen. Und bevor sie gehen, bedanken sie sich tausendfach. Im Gegensatz zu den Schiffskabinen ist das hier ein unheimlicher Komfort.

Gibt es für Außenstehende, die sich für die Seemannsmission interessieren, Vorträge oder andere Veranstaltungen, die man besuchen kann?

Auf dem Weihnachtsmarkt haben wir einen Punschstand und zur Kieler Woche gibt es am Leuchtturm in Holtenau eine Messe in der Kapelle der Seemannsmission, und auf der Wiese neben dem Leuchtturm wird dann Essen aufgebaut, da kann man gerne vorbeikommen und die Seemannsmission kennenlernen.

Wie wird die Seemannsmission finanziert?

Viel durch Spenden, der Lotsenverband schießt zum Beispiel was dazu, es gibt aber auch staatlichen Zuschuss.

Apropos Spenden. Klamottenspenden bekommen wir auch viele. Im Gemeinschaftsraum gibt es eine Kleiderstange, von der sich die Seemänner Klamotten mitnehmen können. Besonders die Philippiners kommen aus dem heißen Sommer zuhause, dann in den überraschend kalten deutschen Winter. Deswegen sind besonders Jacken und Pullis immer willkommen.

Wenn wir die Bordbesuche machen nehmen wir immer gestrickte Mützen und Handschuhe und alles mit, um die an Bord zu verteilen. Es gibt tatsächlich auch eine Oma in Kiel, die jedes Jahr 50 Mützen für die Seemänner strickt und zu uns schickt.

Wohnraum im Seemannsheim

Werden Ehrenamtler*innen gesucht?

Ja, um die Schichten alle abzudecken, braucht es viele Helfer und Helferinnen. Alle, die Lust haben uns zu unterstützen, können gerne vorbeikommen.